Die Situation lokaler Schafwolle in Österreich und in der EU
In Österreich gibt es jährlich ein Volumen von 800.000 kg Schafwolle, von denen aber nur ein Bruchteil verarbeitet wird, berichtet Roland Taferner vom ÖBSZ. Größtes Aushängeschild der Züchter und gleichzeitig größte Herausforderung für die Wollverarbeitung ist die Vielfalt. Derzeit werden in Österreich 23 verschiedene Schafrassen züchterisch betreut. Von vielen Sorte Schafwolle gibt es daher nur kleine Mengen. Es gäbe außerdem sicher noch viele Betriebe, die Schafe halten wollen würden, aber man müsste ihnen die Wollverarbeitung abnehmen.
Ein Problem für die derzeitige Wollverarbeitung ist, dass die einheimische Wolle der meisten Rassen als eher grob bewertet wird, d.h. bei Feinheiten von 24 Micron und gröber liegt. Derzeit wird von den meisten Produzent:innen von Strickgarnen und Stoffen die (Merino)Wolle aus Australien, Neuseeland oder Südamerika bevorzugt. Sie ist viel feiner und außerdem derzeit am Weltmarkt zu extrem günstigen Preisen erhältlich. Europäische, mischwollige Schafrassen haben zwar häufig sehr feine Unterwolle, jedoch müsste diese erst von den gröberen Oberhaaren getrennt werden. Die Feinheit der Wolle der „schlichtwolligen“ Schafe – wie z.B. Merino Landschaf – reicht nicht an die der Wollen aus Übersee heran. Ganz einfach, weil Schafwolle ein Naturprodukt ist, das von den jeweiligen klimatischen Bedingungen abhängt. Und die klimatischen Bedingungen bei uns andere sind als in Australien oder Südamerika.
Aber es geht nicht nur um die Feinheit. Walter Aigner, der für einen Dokumentarfilm seit zweieinhalb Jahren quer durch Europa tourt, berichtet, dass derzeit auch die feinen europäischen Wollen hoher Qualität, wie die spanische Merino (21 Micron), keinen Absatzmarkt haben. Selbst spanische Wolle liegt auf Halde, weil sie gegen die (zu) billige australische Wolle derzeit keine Chance hat. Und selbst in Australien, wo die Wolle mit 18,5 Micron extrem fein ist, trägt sie maximal 40% zum Einkommen der Bauern bei. Die Bauern bekommen auch dort immer weniger für ihre Wolle, und auch dort ist das Fleisch der Schafe wichtiger.
In der Podcastfolge erzählt Walter vom Nutzen, den die Schafe für die Erhaltung von freien Landschaften und Biodiversität haben, und dass die Wolle nur gerettet werden kann, wenn die Schäfer und Schäfer:innen (wieder) von den Produkten ihrer Tiere leben können.
Im System läuft grundlegend etwas falsch. Das zeigt sich auch daran, dass mehr als zwei Drittel der Welt-Faser-Produktion synthetische, erdölbasierte Fasern sind. Der Anteil der Wolle beträgt 1% .
Superfein oder auch robust?
Auf der anderen Seite: Es muss nicht immer die allerfeinste Woll-Qualität sein. Es gibt von Seiten der Konsument:innen durchaus auch Interesse an robusteren Kleidungsstücken aus robusterer Wolle. Mittelgroße Vorzeigeprojekte sind z.B. Nordwolle Rügen, Elbwolle mit dem Label „Vauno“ in Deutschland, oder Laines Paysannes in Frankreich, die ganz bewusst ihre lokale Schafwolle verarbeiten und damit recht bekannt wurden. Auch im Bereich Strickwolle gibt es mehrere erfolgreiche Crowdfunding Projekte und bereits etablierte Marken, wie Mährle, Paulas Wolle, Spinnerei Lengenfeld und einige andere mehr.
Qualität beginnt bei der Schur
Ein Erschwernis für die Sammlung und Verarbeitung der einheimischen Wolle in Österreich ist derzeit, dass sie sowohl von Seiten vieler Verarbeiter, als auch von Seiten der Bauern nicht wertgeschätzt wird. Die Bauern können durch die Abgabe ihrer Wolle bei Sammelstellen meist nicht einmal die Kosten der Schur decken. Viele bringen die Wolle (um Transportkosten zu sparen) nicht einmal mehr zu Sammelplätzen, sondern nutzen sie im Garten als Dünger oder werfen sie auf den Misthaufen, wo die Wolle in Dünger für das Grünland und den Acker umgewandelt wird.
Weil die Wolle nicht viel wert ist, wird bei der Schur nicht immer auf Sauberkeit geachtet, daher sinkt der Wert der Wolle nochmals – es ist ein Teufelskreis.
Verbesserung der Wollqualität durch Sauberkeit und Hygiene
Einfluss der Rohwolle auf die Qualität des Endproduktes
Je sauberer die Rohwolle zu Beginn ist, desto besser wird die Qualität des Endprodukts sein. Für die Herstellung hochwertiger Wollprodukte ist es entscheidend, bereits vor und während der Schur auf Sauberkeit zu achten. Es gibt mehrere Maßnahmen, die Schafhalter:innen ergreifen können, um die Qualität ihrer Wolle zu verbessern. Diese Maßnahmen sind nicht nur motivierend, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft.
Stallhygiene
Eine gute Stallhygiene ist von größter Bedeutung. Heu und andere Futterreste sollten nicht AUF die Schafe gelangen. Vegetative Teile (Heu, Stroh,…) sind aus der Wolle sehr schwer zu entfernen, wodurch die Qualität der Rohwolle erheblich gemindert wird.
Die Schafe vor der Schur vorbereiten
Früher wurden Schafe teilweise vor der Schur gewaschen. Heute kann dies in manchen Fällen immer noch sinnvoll sein, jedoch müssen die Schafe zur Schur wieder vollständig trocken sein, um die Gefahr von Hautirritationen und Wundinfektionen zu minimieren. Saubere und trockene Wolle ist das Um und Auf für die weitere Verarbeitung.
Sauberkeit am Schurplatz
Der Schurplatz sollte VOR der Schur gründlich gereinigt werden. Das Fegen des Stalls oder Scherplatzes vor der Schur trägt dazu bei, dass weniger Fremdteile in die Wolle gelangen. Eine saubere Umgebung ist die Grundlage für hochwertige Rohwolle.
Die Wolle bei der Schur vorsortieren
Direkt bei der Schur sollte die Wolle vorsortiert werden. Schmutzige und gröbere Wollen von Bauch, Beinen und Po sollten getrennt von den feineren und saubereren Wollen der seitlichen Körperpartien gesammelt werden. Diese Vorsortierung erleichtert die spätere Verarbeitung und erhöht die Qualität des Endprodukts.
Vielfältige Verwendungsmöglichkeiten von Schafwolle
Schafwolle findet nicht nur in der Bekleidungsindustrie Verwendung, sondern auch in Vliesstoffen, Dämmmaterialien und Filzprodukten. Unabhängig vom Endprodukt ist die Sauberkeit der Rohwolle neben der Feinheit des Materials von grundlegender Bedeutung.
Schulungen und Information
Schafhalter:innen sollten regelmäßig über die Bedeutung von Sauberkeit und Hygiene informiert und geschult werden. Durch gezielte Bildungsmaßnahmen können sie lernen, wie sie die Qualität ihrer Wolle verbessern können, was letztendlich zu höheren Einnahmen für die Schafhalter:innen und zu besseren Produkten für die Konsument:innen führt.
Durch diese Maßnahmen können Schafhalter:innen die Qualität ihrer Wolle erheblich steigern und gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile erzielen. Eine saubere und hygienische Haltung sowie sorgfältige Schurmethoden tragen dazu bei, hochwertige Wollprodukte herzustellen, die in verschiedenen Industrien geschätzt werden.
Die Wolle in unserem Projekt – die Grundlage für alles
- Für das erste AUTwool Projekt, die #WollWeste2024, arbeiten wir mit 1000 kg Wolle vom Braunen Bergschaf und vom Tiroler Bergschaf. Einerseits, weil es relativ viele Bergschafe in Österreich gibt, und andererseits, weil wir über Roland Taferner vom ÖBSZ und die Sammlung der Schaf- und Ziegenzucht Tirol eGen relativ einfach zu der benötigten Menge gekommen sind.
- Wir haben beschlossen, aus 800 kg brauner Wolle und 200 kg weißer Wolle einen natürlichen, mittleren Braunton mischen zu lassen. Für dieses Projekt wird die Wolle NICHT gefärbt.
- Das Tiroler Bergschaf zählt zu den mischwolligen Schafrassen. Seine Wolle gehört nicht zu den feinsten Sorten, ist aber robust und wasserabweisend. Wir wollen zeigen, dass man genau aus dieser Wolle ein tolles, ansprechendes, funktionales Kleidungsstück machen kann.
Die Wolle wurde im April 2024 bei mehreren Schafbetrieben in Tirol geschoren, gesammelt, und zum Waschen zum Ötztaler Schafwollzentrum Regensburger gebracht.