Was versteht man unter Walken?
Walken ist ein kontrollierter Prozess des Filzens. Dabei verhaken sich die Schuppen auf der äußersten Schicht der Wollfaser dauerhaft miteinander. Je stärker diese Schuppen ausgeprägt sind, je mehr sich die Fasern natürlich kringeln und je lockerer das Garn gedreht ist, desto besser gelingt der gewünschte Walkeffekt.
(Das Wort „Walken“ wird übrigens NICHT Englisch ausgesprochen [/ˈwɔː.kn/], sondern Deutsch [ˈvalkn̩])
Damit die Wolle filzen kann, darf sie nicht chemisch behandelt sein. Ein Prozess wie eine „Superwash“ Ausrüstung, bei dem die äußeren Schuppen der Wollfaser chemisch entfernt werden und die Faser mit einer Schicht Kunstharz überzogen wird – beliebt z.B. bei Strickerinnen für Sockenwolle, damit man die Socken in der Waschmaschine waschen kann, ohne dass sie eingehen – ist hier dezidiert NICHT erwünscht.
Das gleiche Garn ergibt Stoffe mit unterschiedlichen Eigenschafen, je nadem, ob man das Garn verstrickt oder verwebt. Strickstoff ist flexibler und bleibt dehnbarer, und diese Eigenschaft behält er auch in angefilzter Form bei, als so genannter Walk. Gewebter Stoff ist meist glatter, fester und nicht oder nur sehr wenigdehnbar. Angefilzt heißt dieses Woll-Gewebe Loden.
Bei Prozess des Walkens werden die gewebten oder gestrickten Stoffbahnen entweder in einer Stampfwalke (ältere Modelle) richtig durchgeknetet, oder unter Zugabe von Seife/Waschmittel in großen Waschmaschinen bearbeitet.
Loden gibt es von extrem feinen, hochwertigen und teuren Tuchloden aus feinsten (Merino-)Wollen bis zu robusten, dichten und wasserabweisenden Lodenstoffen, die teilweise immer noch auch aus regionalen Wollen hergestellt werden. In Österreich gibt es drei größere, alt eingesessene Firmen (Steiner 1888, Leichtfried Loden und Lodenwalker), alle in der Steiermark ansässig, in denen sehr hochwertige Loden aus feinsten Merinowollen hergestellt werden, die bei den beiden erstgenannten zu großen Teilen in den Export gehen, unter anderem zu Modedesignern in die Haute Couture. Kreutner Loden im Zillertal ist ein uriger kleiner Familienbetrieb, der vorwiegend Tiroler Schafwolle zu robusten, wasserabweisenden Umhängen, Mänteln, Decken und Jagdbekleidung verarbeitet.
Walkstoff wird in Betrieben hergestellt, die auch stricken: Heratex in Öblarn zum Beispiel, der auch unseren Stoff gestrickt hat. Und Gottstein im Tiroler Ötztal, der neben hochwertigen Walkstoffen auch für seine Filzpantoffeln bekannt ist.
Entscheidungen in unserem Projekt
Bei der Gründungssitzung unseres Projektes im November 2023 war – obwohl eingeladen – keiner der österreichischen Lodenhersteller anwesend, dafür gleich zwei Betriebe, die stricken können. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, im Pilotprojekt (2024) mit Walk zu arbeiten.
Die Stoffstärke war abhängig von der Stärke des Gestricks, und diese wiederum von der Garnstärke. Wir (das Projektteam, vor allem unsere Designerin Stephanie Höcker) hatten vorab von Gottstein verschiedene Stoffproben von Walkstoffen bekommen, allerdings von anderen Schafrassen und aus dünneren Garnen gestrickt. Basierend auf der robusten Faser des Tiroler Bergschafes haben wir uns recht früh im Projekt dazu entschlossen, auf eine robuste, recht dicke und deshalb auch fast winddichte Walk-Qualität mit einem Flächengewicht von ca. 870g/m2 zu gehen. Das hatte zur Folge, dass wir das Garn dicker ausspinnen lassen haben, und dass bei Heratex gestrickt werden musste, weil Gottstein keine Strickmaschinen für dieses dickere Garn besitzt.
Es war ein großes Experiment, weil wir diesen Stoff von Grund auf entwickelt haben, und so viele Parameter bestimmen mussten. Und es war auch spannend, ob wir am Ende die Qualität herausbekommen würden, die wir uns vorgestellt hatten. Zum Glück waren wir nicht allein, sondern konnten uns voll und ganz auf die kompetenten und erfahrenen Firmen verlassen, die für uns gestrickt und gewalkt haben.
Mitte August 2024 ist Hermann Rabenhaupt von der Strickerei Heratex in der Steiermark mit der ersten Rolle Strickstoff aus unserer Wolle extra die 400 Kilometer zu Gottstein ins Ötztal nach Tirol gefahren, um Walkproben zu machen. Unsere Designerin Steffi war ebenfalls dabei und hat den Prozess dokumentiert.
Beim Test wurden die rund 27 Meter Strickstoff erst ein Mal gewalkt (bei Gottstein: in einer großen Waschmaschine verfilzt), und dann die Hälfte dieses Stoffes noch ein zweites Mal. Das ergab zwei unterschiedlich dichte Walkstoffe.
Wir haben uns für die dickere Qualität entschieden, weil wir die Weste als eine Art „Windbreaker“ konzipiert haben: Aber anstelle – wie herkömmlich – einer Lage Daunen, oder auch Woll-Vlies zwischen zwei Lagen Plastik, besteht unsere #WollWeste2024 aus reiner Schurwolle.
Hermann ist mit den Erkenntnissen zurück nach Öblarn gefahren und hat die restlichen rund 300 kg Wolle zu weiteren Rollen Strickstoff verarbeitet.
Schließlich sind 382 Meter Walkstoff mit einem Flächengewicht von xxx Gramm/m2, auf 23 Rollen, mit einem Gesamtgewicht von 446 kg bei JMB Fashion eingetroffen, um vernäht zu werden.
Die Firma Gottstein
Seit 1926, seit vier Generationen verarbeitet die Firma Gottstein im Tiroler Ötztal den Rohstoff Wolle. Sie gehört zu den führenden Spezialisten in Sachen Walken, Filzen und Wollverarbeitung. Die Wollkompetenz und das Know-How über die Filzherstellung wird stetig weiterentwickelt.
Die Filzpantoffel und Walkstoffe werden ausschließlich in Tirol produziert. Die Wollen dafür kommen vom Großmarkt, aus der ganzen Welt. Verarbeitet werden verschiedene Schafwoll-Qualitäten sowie Alpaka, Kamel und Yak.
Gottstein ist besonders bekannt für seine Hüttenpatschen und Filzpantoffel. Jeder einzelne Filzpantoffel wird von Hand über einen Schuhleisten gestülpt und bekommt so seine individuelle Note. Seit einigen Jahren gibt es diese Pantoffel auch aus der Wolle seltener Schafrassen wie dem Coburger Fuchs, Tiroler Steinschaf oder Moorschnucke.
Wenn der Stoff nach dem Walken fertig ist, geht er in den letzten Produktionsschritt: Das Nähen. Aber bevor wir zum Nähen kommen, betrachten wir noch eine Aufgabe, die den ganzen bisherigen Prozess parallel begleitet hat: Das Entwerfen des Schnittmusters, bzw. das Design.