Wolle waschen in Europa: Gar nicht so einfach
Die Anzahl der Wollwaschanlagen in Europa hat in den letzten 30 Jahren rapide abgenommen. Das liegt einerseits daran, dass weniger lokale Schafwolle verarbeitet wird, andererseits am Preisdruck von Wäschereien in Ländern Asiens.
Für die Wollwäsche braucht man weiches Wasser. Das ist das wichtigste Kriterium. In Europa gibt es noch eine Handvoll Lohnwäschereien für Wolle, davon in Österreich noch eine (Ötztaler Schafwollzentrum Regensburger), in Deutschland keine einzige, aber in Belgien – nahe der deutschen Grenze – Traitex als bekannte und kompetente, große Wollwäscherei.
Auch wenn dies unter Umständen längere Transportwege der Wolle bedeutet, ist es vernünftig, die bestehenden, sehr erfahrenen Wäschereien in Anspruch zu nehmen und zu beauftragen, meinte der Filmemacher Walter Aigner – der seit drei Jahren auf den Spuren europäischer Wolle durch ganz Europa tourt – bei unserem Woll-Workshop in St. Lambrecht.
Wie fett darf es denn sein?
Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der Wäscherei ist der Fettgehalt der jeweiligen Wolle. So genannte „mischwollige“ Schafrassen haben grobe Deckhaare, die Regen und anderen Niederschlag ableiten, und eine feine, weiche Unterwolle, die sie gegen Kälte schützt. Ihre Wolle ist weniger fettig. So genannte „schlichtwollige“ Schafrassen hingegen wurden so gezüchtet, dass sie mehr oder weniger nur mehr eine Sorte eher feinerer Haare am Körper tragen. Ihre Wolle hat zum Schutz vor Witterung und Feuchtigkeit einen höheren Gehalt an Wachs-Woll-Schweiß (gemeinhin auch Lanolin genannt).
Das Waschen von schlichtwolliger Wolle mit mehr Fett, braucht dem entsprechend eine längere Waschzeit und/oder mehr Wasch- und Lösungsmittel als das Waschen von mischwolliger Wolle.
Dazu muss vor dem Waschen eine Entscheidung getroffen werden, welche Eigenschaften das spätere Produkt erhalten soll.
Manche Spinnereien sind nicht glücklich, wenn die Wolle nach dem Waschen noch zu viel Rest-Lanolin enthält: Es verklebt die Kardiergeräte, die dann teuer geputzt werden müssen.
Andere Spinnereien können besser mit fetthaltiger Wolle umgehen, und ein gewisser Restgehalt an Lanolin kann im Material auch gewünscht sein: Es macht die Wolle zusätzlich natürlich wasserabweisend, sodass ein Kleidungsstück sogar gegen leichten Regen schützen kann. (Ein Beispiel für hohen Wollfettgehalt ist der „Psairer Sarner“, eine traditionelle Strickjacke, die z.B. von spinnradl.it in Südtirol hergestellt wird.)
Für die Anwendung von Schafwolle als „Heilwolle“ versucht man sogar so schonend zu waschen, dass ein möglichst hoher Anteil an Woll-Wachs in der Wolle verbleibt.
Wolle waschen im Projekt
Wir haben uns dafür entschieden, die Wolle bei Regensburger in Österreich waschen zu lassen.
- Wegen der gewählten Schafrasse: Das Tiroler Bergschaf ist mischwollig, und seine Wolle daher weniger fettig. Hätten wir dieses Jahr z.B. mit Merino Landschaf gearbeitet, hätten wir die Wolle ziemlich sicher zum Waschen zu Traitex nach Belgien geschickt.
- Wegen der Distanzen: Weil wir in der glücklichen Lage sind, eine Wollwäscherei in Österreich zu haben, die Bergschaf waschen kann, wollten wir nicht die Wolle zum Waschen nach Belgien führen, und dann wieder zurück nach Österreich zum Spinnen. Wir wollten die MÖGLICHKEIT auf ein Produkt 100% Austria nutzen, und gleichzeitig durch den Transport verursachtes CO2 sparen.
- Wegen der Wetterfestigkeit: Wir werden mit der #WollWeste2024 auf eine dickere Walk-Qualität abzielen. Dafür ist ein gewisser Restbestand von Lanolin ganz gut: Es wird den den Walk wasserabweisender machen.
Das Ötztaler Schafwollzentrum
Im Ötztaler Schafwollzentrum Regensburger wird seit 1953 regionale Schafwolle verarbeitet. 1996 kam eine Schafwoll-Waschanlage dazu.
Regensburger ist derzeit (Stand Sommer 2024) die einzige größere Schafwoll-Wäscherei im südlichen deutschsprachigen Raum.
Neben der Lohnwäscherei verarbeitet die Firma regionale Tiroler Schafwolle zu Teppichen, Strickwolle und Filzmatten, die vor Ort im Fabriksverkauf sowie im Onlineshop erworben werden können.
Bei Regensburger gibt es eine so genannte „Gegenstrom“ Waschanlage mit vier Becken. Sie ist für mischwollige Wollsorten ausreichend; für schlichtwollige Wollsorten sind andere, größere Waschanlagen mit mehr Becken besser geeignet.
Von unseren 1000 kg Rohwolle blieben nach der Wäsche 546 kg übrig. Die Qualität der 200 kg weißen Bergschafwolle war gut, hier haben wir 115 kg gewaschene Wolle erzielt. Die dunkle Wolle war farblich und qualitativ sehr heterogen; von den 800 kg dunkler Wolle sind 431 kg übrig geblieben.
Im Video, aufgenommen von Gabriele Brandhuber im Oktober 2023, sieht man den Weg durch die Waschanlage bei Regensburger.
Nächster Schritt in der Produktionskette: Kardieren und Spinnen!