Kardieren und Spinnen im deutschsprachigen Raum
Es gibt sie noch, und es gibt sie wieder: Die Spinnereien im deutschsprachigen Raum, die regionale Wolle verarbeiten! Wagner Wolle in Reutte in Tirol, Willi Huber Wolle im Lungau/Salzburg, Ferner Wolle ebenfalls im Lungau/ Salzburg, Schafwollspinnerei Höfer in Bayern, Alte Spinnerei und Tuchfabrik Lengenfeld in Thüringen, … (Eine ausführliche Liste von größeren und kleineren Betrieben, die spinnen, findest du auf dem Textilportal.)
Bei unserer AUTwool Gründungssitzung im November 2023 mussten wir allerdings feststellen, dass Spinner, Stricker und Walker in Österreich aussterbende Berufe sind. Matthias Ferner berichtete, dass er zwar Fachkräfte anlernen kann, dass es aber in Österreich keine Meisterprüfung mehr gibt. Bei einigen Spinnereien, deren Besitzer aufs Pensionsalter zugehen, stellt sich die Frage nach der Nachfolge. Andernorts werden alte Spinnereien aber auch wieder belebt und neu gegründet, wie die Alte Spinnerei Lengenfeld in Thüringen, die von einem Verein wieder belebt wurde!
Kardier- und Spinnanlagen, wie sie bei Ferner stehen, bedeuten große Investitionen: Ein Krempelsatz kostet 1,5 Mio. Euro, die Spinnmaschine dazu noch einmal 0,9 Mio. Euro. Es dauert Jahrzehnte, bis sich so eine Investition amortisiert. Daher waren mehrere Teilnehmer:innen unseres Treffens im Nov. 2023 der Ansicht, dass mehr Mittelstand mit kleineren Geräten der Woll-Szene gut tun würde, so genannte „Mini Mills“.
Bei den oben genannten, mittelständischen Betrieben kann man Mengen ab 50 kg (besser: 100kg) gewaschener Rohwolle (“Flocke”) kardieren und spinnen lassen. Matthias Ferner begründet die nötige Menge damit, dass auf seinen großen Maschinen einen Abfall von 10-15 kg entsteht, bis das Garn richtig eingestellt ist. Deshalb bleibt von kleinen Ausgangsmengen prozentuell gesehen nur wenig übrig.
Wenn man weniger als 50 kg im Jahr zusammenbekommt, kann man als landwirtschaftlicher Betrieb entweder die Mengen von zwei oder drei Jahren zusammensparen, was einige durchaus tun. Das setzt Lagermöglichkeit und Mottenschutz (!) voraus. Oder es schließen sich mehrere landwirtschaftliche Betriebe zu einer Kooperative zusammen und lassen gemeinsam verarbeiten. (Solche Kooperativen könnte es ruhig mehr geben.)
Für ganz kleine Mengen ab 1 kg Rohwolle gibt es auch eine Reihe von kleineren Betrieben, in denen die Wolle teils handgesponnen, teils auf so genannten „Mini Mills“ verarbeitet wird. Die Wartezeiten bei den Mini-Mills liegen derzeit bei bis zu 1,5 Jahren, so gut ausgelastet sind die!
Aus den 546 kg gewaschener Rohwolle in unserem Projekt haben wir 430 kg gesponnenes Garn auf Konen herausbekommen.
Entscheidungen im Projekt
Matthias Ferner war bei der AUTwool Gründungssitzung im November 2023 dabei und vom Projekt begeistert. Deshalb hat er unsere Wolle versponnen.
Wir haben im Projekt diskutiert, wie fein oder dick wir die Wolle vom Tiroler Bergschaf ausspinnen lassen sollen, und ob wir auf ein „Streichgarn“ oder auf ein „Kammgarn“ gehen sollen. Das müssen wir kurz erklären.
Für „Streichgarn“ wird die Wolle durch einen so genannten „Krempelsatz“ geschickt und kardiert: Es entsteht ein dünnes Wollvlies, das in feine Streifen (Vorgarn) geteilt und anschließend versponnen und verzwirnt wird. Streichgarn hat Volumen, es ist fluffig. Das meiste Strickgarn, das man zu kaufen bekommt, ist zum Beispiel Streichgarn.
Bei „Kammgarn“ werden in einem zusätzlichen Arbeitsschritt die Wollfasern gekämmt. Beim Kämmen fallen gröbere Fasern heraus, die verbleibenden Fasern werden alle in die gleiche Richtung ausgerichtet/gekämmt. Das daraus gesponnene und verzwirnte Kammgarn ist glatter und auch fester als Streichgarn. Sehr feine Wollsorten können als Kammgarn sehr dünn ausgesponnen werden und werden z.B. zu ganz feinen Wolltuchen (Anzugstoffe) weiter verarbeitet. Sehr edel!
Matthias Ferner hätte gern ausprobiert, die Tiroler Bergschafwolle zu einem Kammgarn zu verarbeiten. Wir vom Projektteam haben uns aber dagegen entschieden, weil beim Kämmen zu viel „grobes“ Material verloren gegangen wäre bzw. relativ wenig Material übrig geblieben wäre. Wir haben uns dazu entschlossen, aus der robusten Bergschafwolle einen Stoff herzustellen, der der robusten Charakteristik eben dieser Wolle entspricht. Es kann gut sein, dass wir einmal in einem weiteren Projekt, mit einer anderen, feineren Wolle, in Richtung Kammgarn gehen.
Es war also ein Herantasten an die für dieses Projekt passende Wollqualität zwischen: „Welches Rohmaterial haben wir zur Verfügung?“ und: „Wie dick soll der Stoff am Ende werden?“, um zu bestimmen: „Wie dick soll das Garn ausgesponnen werden?“. Wir sind zum Schluss gekommen: Es soll ein 4,4/2 Garn werden. (Das bedeutet: 1000 m Garn wiegen 4,4 kg/ das Garn ist zweifach verzwirnt.)
Die Wollgarnspinnerei Ferner GmbH
Der Familienbetrieb wurde 1906 als „Krempelei“ gegründet, sukzessive ausgebaut und wird mittlerweile in vierter Generation von Matthias und Marlene Ferner geführt. Ferner Wolle produziert Hand- und Maschinenstrickgarne für namhafte Firmen in ganz Österreich und im europäischen Raum. Bekannt ist Ferner vor allem für seine bunte Sockenstrickwolle. Die Merinowolle für die Eigenmarke stammt zu 100% aus mulesingfreier Haltung, vorwiegend aus Südamerika, die mit recyceltem Polyamid gemischt wird.
Ferner verarbeitet auch Schaf- und Alpakawolle aus regionaler Herkunft im Auftrag ab Mengen von 50 kg pro Farbe. Bei geringeren Mengen kann für ein Mischgarn andere, lagernde Schafwolle beigemischt werden.
Im Video, aufgenommen von Hannah Charpin im Juli 2024, siehst du die Verarbeitung unserer Wolle (100% Tiroler Bergschaf) für die #WollWeste2024.
Nächster Schritt in der Produktionskette: Stricken!